Trafaret

Die Wen­de ermög­lich­te es im Som­mer 1990, der Ein­la­dung mei­nes Züch­ter­freun­des Karl Wil­helm, nach­zu­kom­men. Der dama­li­ge Lei­ter des DDR-Tra­keh­ner Gestüts Stock­hausen bei Leip­zig hat­te eine klei­ne Rei­se durch eini­ge Tra­keh­ner Zucht­stät­ten in der DDR orga­ni­siert. So waren wir u. a. in Köl­sa, Groß­wal­ters­dorf und auch in Gan­schow. Dort zeig­te uns der Lei­ter Hart­mut Plat­zek, der spä­ter Land­stall­meis­ter im meck­len­bur­gi­schen Land­ge­stüt Rede­fin wur­de, die auch dort sta­tio­nier­ten staat­li­chen Deck­hengs­te. Beson­ders gefiel mir der bild­schö­ne, groß­rah­mi­ge, gang­star­ke und trotz der Grö­ße ganz ara­bisch gepräg­te Schim­mel­hengst Son­nen­strahl aus der gestüts­ei­ge­nen Zucht. Auf mei­ne Fra­ge, ob der Hengst zu pach­ten wäre, erwi­der­te Plat­zek, dass der Schim­mel im nächs­ten Jahr für Moritz­burg vor­ge­se­hen sei. Er gab mir jedoch den Tipp, dass der Vater Son­nen­strahls, der rus­si­sche Tra­fa­ret in Rede­fin stün­de. Die­ser wür­de nicht mehr sehr bean­sprucht, sodass gute Chan­cen auf eine Pach­tung bestün­den. Kur­ze Zeit dar­auf sah ich mir den dun­kel­brau­nen Hengst vor Ort an und wur­de schnell mit dem dama­li­gen Gestüts­di­rek­tor Nören­berg einig, den Hengst für zwei Jah­re zu pach­ten. Nach der Hengst­pa­ra­de hol­te ich Tra­fa­ret nach Wör­me, wo 1991 dann sei­ne ers­te dor­ti­ge Deck­sai­son begann.

Der durch Aus­tausch schon als Foh­len aus dem rus­si­schen Haupt­ge­stüt Kirow in die DDR gelang­te und in Gan­schow auf­ge­zo­ge­ne Hengst hat­te eine hoch­in­ter­es­san­te und in West­deutsch­land eher sel­ten anzu­tref­fen­de Abstam­mung. Er wur­de spä­ter als Eli­te ein­ge­stuft. Die Beschrei­bung Tra­fa­rets im Hengst­buch lau­tet: „Bedeu­ten­der Beschä­ler im kla­ren Typ und mit herr­li­chem Auge. Genick, Hals Schul­ter und Sat­tel­la­ge sehr gut. Im Bereich der Hin­ter­hand mit Schwä­chen, einer wenig geneig­ten Krup­pe und offe­nem Hin­ter­bein. Kräf­ti­ger, kor­rek­ter Vor­der­fuß. Sehr schwung­vol­le und kor­rek­te Bewe­gun­gen. Sowohl in der Tra­keh­ner-Zucht als auch in den Land­des­zuch­ten von Meck­len­burg und Sach­sen-Anhalt nimmt Tra­fa­ret eine wich­ti­ge Stel­lung ein. Sei­ne Kin­der sind rit­tig, von hoher Auf­fas­sungs­ga­be und beson­ders dres­sur­be­gabt.“

Tra­fa­rets in Kirow gezo­ge­ner Vater 69 Alma­nach I war ein Sohn des durch Gen­aus­tausch aus Polen dort­hin gelang­ten 8 Ach­mad 3166, ein dun­kel­brau­ner Hengst der Hir­tensang-Linie über des­sen Sohn Cel­si­us. Curt Krebs, der Grand­sei­gneur der Tra­keh­ner-Zucht nach dem Krieg, nutz­te Hir­tensang bereits in sei­nem ost­preu­ßi­schen Hei­mat­ge­stüt Schim­mel­hof mit gutem Erfolg. Spä­ter schrieb er über die­sen Fuchs: „Hir­tensang war wohl der bes­te Haupt­be­schä­ler in Tra­keh­nen im letz­ten Jahr­zehnt. Gute Linie, kno­chen­stark, mit bes­ten Sprung­ge­len­ken und her­vor­ra­gen­dem Gang. In der Hengst­prü­fungs­an­stalt hat­te er alle Noten mit ‚vor­züg­lich‘. Gele­gent­lich eines hip­po­lo­gi­schen Gesprächs in Vorn­holz sang ich ein Lob­lied auf die­sen bedeu­ten­den Hengst. Herr Baron von Nagel sag­te dar­auf: ‚Sehr inter­es­sant! Vor kur­zem hör­te ich, daß die Polen sorg­fäl­tig das Blut von Hir­tensang sam­meln, da sie sei­ne Nach­zucht sehr hoch ein­schät­zen.‘“

Alma­nachs gene­ti­scher Hin­ter­grund ist voll von ehe­ma­li­gen Zucht­grö­ßen Tra­keh­nens wie neben Hir­tensang zum Bei­spiel Polar­stern, Heli­kon, Pil­ger und dem Voll­blü­ter Para­dox xx. Tra­fa­rets in Kirow gezo­ge­ne Mut­ter 273 Tichon­ja 27 ist eine Toch­ter des über­ra­gen­den Haupt­be­schä­lers des rus­si­schen Ara­ber­ge­stüts Tersk, des brau­nen Topol ox v. Pri­boj ox. Die Ara­ber der rus­si­schen Gestü­te kom­men grund­sätz­lich erst renn­bahn­ge­prüft in die Zucht. Topol ox war Gewin­ner der „Drei­fa­chen Kro­ne“ – der drei gro­ßen klas­si­schen Ren­nen. Er ent­stammt einer, unter Reit­pfer­de­aspek­ten (beson­ders der Tra­keh­ner) bedeu­ten­den Ara­ber­li­nie: des Babol­naer Haupt­be­schä­lers Kohei­lan I ox. Pri­boj ox hin­ter­ließ der Zucht wei­te­re leis­tungs­star­ke Nach­kom­men. So wur­de Pro­fil ox rus­si­scher Meis­ter in der Viel­sei­tig­keit. Die Ara­ber Pri­vet ox und Sport ox waren Legen­den der Renn­bahn und lie­fen Geschwin­dig­keits­re­kor­de. Der bis M‑Springen sieg­rei­che Neron ox (Enkel des Sport ox) wur­de in der deut­schen Shagya-Zucht ein­ge­setzt und hin­ter­ließ mit Koya­no und Nim­rot zwei Hengst­leis­tungs­prü­fungs­sie­ger.
     Für die sowohl rus­si­sche als auch deut­sche Tra­keh­ner-Zucht war wohl der wich­tigs­te Pri­boj ox-Sohn Pome­ra­nets ox. Wenn man zeit­ge­nös­si­sche Bil­der die­ses Fuch­ses betrach­tet, so könn­te er von der Sil­hou­et­te her auch ein eng­li­scher Voll­blü­ter sein – eine Fol­ge der kon­se­quen­ten rus­si­schen Renn­bahn­aus­le­se. Er ist der Vater des bedeu­ten­den Kirower Haupt­be­schä­lers Hockey: ein Tra­keh­ner, den die west­li­che Pres­se als den ‚Don­ner­hall des Ostens‘ fei­er­te. Sowohl Alm­ox Prinz v. Hockey als auch Bio­top, der aus einer Hockey-Mut­ter stammt, waren Sport­grö­ßen, die lei­der erst spät in die Zucht kamen. Bei­de Hengs­te hin­ter­lie­ßen je einen zucht­ak­ti­ven Sohn. Gold­schmidt v. Bio­top schied 2023 aus Alters­grün­den aus. Ari­zo­nas v. Alm­ox Prinz wur­de 2022 vom Tra­keh­ner Ver­band, bei­nah zu spät, aner­kannt. Zwei bedeu­ten­de, lei­der viel zu wenig genutz­te Hockey-Söh­ne waren die Tra­keh­ner Lowe­las und der rus­si­sche Perech­lest. Züch­ter des gang­star­ken Fuch­ses Lowe­las ist Hans-Ernst Wezel vom Gestüt Schr­al­ling, der ein abso­lu­ter Anhän­ger und Ken­ner der öst­li­chen Tra­keh­ner-Zucht ist. Perech­lest taucht in der Abstam­mung des heu­te bekann­ten Moritz­bur­ger Land­be­schä­lers Frei­herr von Stein als Mut­ter­va­ter auf. Er selbst war ein erfolg­rei­ches Grand-Prix-Dres­sur­pferd unter Ulla Salz­gre­ber.
     Der brau­ne Ter­s­ker Haupt­be­schä­ler Naf­ta­lin ox war ein Sohn des Topol ox aus einer Pome­ra­nets ox-Mut­ter (Nep­rad­wa 1964 ox) gezo­gen. Aus der Ver­bin­dung der bei­den Naf­ta­lin-Söh­ne Bag­dad ox und Almaz ox ent­stand die Stu­te Bag­heera ox, die Mut­ter des lei­der früh aus­ge­schie­de­nen Tra­keh­ner-Hengs­tes Brio­ni war und sie­ben­mal den prä­gen­den Pri­boj ox in ihrem Stamm­baum führ­te. Eben­falls in Tersk gezo­gen war der brau­ne Kos­mo­naut ox, der kur­ze Zeit auf dem Vogel­s­angs­hof ein­ge­setzt wur­de. Er hat­te Naf­ta­lin ox zum Vater, war eben­falls aus einer Pome­ra­nets ox-Mut­ter gezo­gen und hat­te im fal­len­den Stamm ein wei­te­res Mal Pri­boj ox auf­zu­wei­sen. Mar­ca­to v. Sapros aus einer Kos­mo­naut ox-Toch­ter (Mar­che­sa II) gezo­gen wur­de in Neu­müns­ter gek­ört und lei­der nach Ame­ri­ka ver­kauft. Die­se viel­fach prak­ti­zier­te enge Kon­so­li­die­rung auf das Blut des Pri­boj ox in der rus­si­schen Ara­ber­zucht zeigt die Wert­schät­zung, die ihm in die­sem welt­weit füh­ren­den Ara­ber­ge­stüt ent­ge­gen­ge­bracht wird.
     Pome­ra­nets ox Halb­bru­der Topol ox hin­ter­ließ vor­wie­gend über sei­ne Töch­ter Spu­ren in der Tra­keh­ner-Zucht. So ist der spring­ge­wal­ti­ge Haupt­be­schä­ler Home­ras des litaui­schen Tra­keh­ner-Gestüts Nemu­nas, wie auch Tra­fa­ret, aus einer Topol ox-Stu­te gezo­gen wor­den. Kor­sas v. Home­ras ist Vater des rus­si­schen Mili­ta­ry-Hengs­tes Per­fekt, der meh­re­re Jah­re auf dem Gestüt Hei­de­krug der Fami­lie Kie­wald ein­ge­setzt wur­de. Auf­grund sei­ner inter­na­tio­na­len Mili­ta­ry-Erfol­ge hät­te man sich eine stär­ke­re Nut­zung wün­schen kön­nen.

Der Ver­er­bungs­schwer­punkt der Pri­boj ox-Linie liegt ein­deu­tig im Spring­sek­tor. Auch bei Tra­fa­ret ist die­ses Talent über den Stan­gen bei sei­nen Kin­dern doku­men­tiert. Zu nen­nen sind hier die bei­den Meck­len­bur­ger Tra­fa­jur und Traum­ju­le. Auch der Rede­fi­ner Schim­mel­hengst Solar v. Altan ist für die Ver­er­bung sei­nes Spring­ver­mö­gens bekannt. Sei­ne Mut­ter Son­nen­blu­me VIII, eine Tra­fa­ret-Toch­ter, ist eine Voll­schwes­ter des Son­nen­strahl. Wei­ter zurück im fal­len­den Stamm Tra­fa­rets tritt Bemer­kens­wer­tes her­vor: So ist sei­ne Groß­mutter 285 Cha­sa 30 eine Toch­ter des Kirower Eli­tehengs­tes 57 Chry­so­lit 77 auf den Tra­fa­ret inge­zo­gen ist. Die­ser ist ein Enkel des ehe­ma­li­gen Tra­keh­ner Haupt­be­schä­lers Heli­kon v. Kup­fer­ham­mer. Wobei Kup­fer­ham­mer und Hir­tensang bei­de Söh­ne des Par­siv­al (v. Mor­gen­strahl v. Blue Blood xx) sind. Heli­kon wur­de Vater des noch in Tra­keh­nen gezo­ge­nen Late­ran, der in der Han­no­ve­ra­ner Zucht bekann­ter­wei­se eine Spring­li­nie begrün­de­te. Cha­sa ist die Mut­ter der bedeu­ten­den rus­si­schen Ver­er­ber Her­son (Vater des Heops) und Hockey. Sie ist die Toch­ter einer auch für die deut­sche Tra­keh­ner-Zucht ein­fluss­rei­chen Kirower Mut­ter­stu­te, der man mit Recht wegen ihrer Ver­er­bung den Eliteti­tel zuspre­chen könn­te. 118 Sapadnja 40 ist Toch­ter des Pil­ger-Soh­nes Sund. Sie ist also nicht nur Groß­mutter des Hockey und des Her­son, son­dern auch Urgroß­mutter des Sapros, des Hora­l­as (Vater von Davi­das und Donau­sturm) und des Tra­fa­ret. Ihre Ver­er­bung weist Leis­tung im höchs­ten Maß auf.

Tra­fa­ret und sein Sohn Son­nen­strahl

Nach­dem die Linie des west­deut­schen Altan v. Hir­tensang erlo­schen war, ist sie durch den pol­ni­schen Cel­si­us noch erhal­ten geblie­ben. Tra­fa­ret hat­te zwei gek­ör­te Söh­ne: Son­nen­strahl und Elka­di II. Bei­de hin­ter­lie­ßen lei­der kei­ne gek­ör­ten Nach­fol­ger, womit die Linie des Hir­tensang in Deutsch­land end­gül­tig erlo­schen ist. Man kann nur hof­fen, dass der Wert die­ses bedeu­ten­den Hengs­tes in Polen oder Russ­land an ver­ant­wort­li­cher Stel­le bes­ser behü­tet wird.
     Bei uns in Wör­me blieb es lei­der bei nur zwei Jah­ren Zucht­nut­zung Tra­fa­rets. Aus die­ser Zeit blieb uns eine wert­vol­le Toch­ter. Die Fuchs­stu­te Motet­te a. d. Mor­en­ga v. Mar­duc u. d. Moh­run­gen v. Pala­din x (Fami­lie der Melis­se v. Hydrant-Schlobit­ten) war eine der bei­den Mor­en­ga-Töch­ter, die die­sen wert­vol­len und sehr sel­te­nen, fast erlo­sche­nen Stamm erhal­ten. Ein inter­es­san­ter züch­te­ri­scher Aspekt kommt hier zum Tra­gen: Da auch Mar­duc auf Hir­tensang inge­zo­gen war, führ­te unse­re Motet­te in ihrem Pedi­gree fünf­mal Tra­keh­nens Haupt­be­schä­ler Par­siv­al.

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