Graciano

Durch den star­ken Zuspruch Mar­ducs auf unse­rer Sta­ti­on, damals noch in Nie­der­sach­sen, ent­stand bald die Idee, einen zwei­ten Hengst auf­zu­stel­len. Wunsch vie­ler Züch­ter in unse­rem Ein­zugs­be­reich war es, auch einen dun­kel­far­bi­gen Hengst zu fin­den, der dazu auch von der Abstam­mung her zu Mar­ducs Töch­tern pas­sen könn­te. So bemüh­ten wir uns um den mäch­ti­gen, lack­schwar­zen Gra­cia­no des Gestüts Schloß Rams­berg in Baden-Würt­tem­berg. Nach lan­gen und zähen Ver­hand­lun­gen mit der Besit­ze­rin Ruth Borst, Ehe­frau des ZfdP-Begrün­ders Adolf Borst, konn­te Gra­cia­no pacht­wei­se für eine begrenz­te Zeit für unser Gestüt gewon­nen wer­den.
     Gra­cia­no, geb. 1970, v. Maren­go u. d. Gold­mi­ne v. Toti­las u. d. Gold­mün­ze v. Alba, war ein mäch­ti­ger Rap­pe mit den Maßen 173 cm Stock­maß und 22,6 cm Röhr­bein. Er wur­de 1975 in Mar­bach gek­ört. Die Hengst­leis­tungs­prü­fung konn­te er auf­grund einer schwe­ren Ver­let­zung nicht been­den. Da Tra­keh­ner-Körun­gen übli­cher­wei­se in Neu­müns­ter statt­fin­den, beka­men die meis­ten Züch­ter Gra­cia­no nie­mals zu sehen, was sich lei­der zeit­le­bens nach­tei­lig für die­sen so wert­voll gezo­ge­nen Hengst aus­wir­ken soll­te. Sei­ne Nach­zucht aus 17 Zucht­jah­ren mit 2 Söh­nen (Gra­ti­an, Ber­ga­mo) und 20 Töch­tern ist aus jet­zi­ger Sicht bedau­er­li­cher­wei­se über­schau­bar.

Sei­ne Abstam­mung und die Qua­li­tät sei­ner Nach­zucht sind heu­te ange­sichts der engen Gene­tik in der mitt­ler­wei­le doch bedenk­lich klei­nen Popu­la­ti­on als eine drin­gend benö­tig­te Out­cross­va­ri­an­te anzu­se­hen. Auch des­halb ist Gra­cia­no ein gutes Bei­spiel für unse­re, seit Jah­ren prak­ti­zier­te Zucht­phi­lo­so­phie, die sel­te­ne­ren Blut­li­ni­en der Tra­keh­ner­zucht zu erhal­ten und zu pfle­gen. Sein Vater, der stark fun­da­men­tier­te, mit aus­ge­zeich­ne­ten Bewe­gun­gen aus­ge­stat­te­te Rap­pe Maren­go, ist ein Ver­tre­ter der leis­tungs­star­ken und spring­ori­en­tier­ten Vater­li­nie des Cara­jan. Die­ser wirk­te in dem frü­he­ren Ver­bands­ge­stüt Birk­hausen und stamm­te aus der Mut­ter­li­nie der Cajen­ne v. Tra­ra. Dies hat er übri­gens mit dem Klos­ter­ho­fer Capri­mond gemein, der wegen sei­nes Ras­se­typs von Zucht­lei­ter Ger­mann als „Phytha­go­ras der Neu­zeit“ bezeich­net wur­de. Der bekann­te Spring­rei­ter Hugo Simon hat­te zeit­wei­lig mit Bie­ne, Halys, Tschardas u. a. meh­re­re Cara­jan-Nach­kom­men wegen ihres Ver­mö­gens im Stall ste­hen.
    Maren­gos Mut­ter­li­nie ent­springt einem der größ­ten und ältes­ten Pri­vat­ge­stü­te Ost­preu­ßens: Schlobit­ten des Fürs­ten zu Doh­na. Die Hydrant-Toch­ter Melis­se gehör­te im Früh­jahr 1945 zu sei­nen Treck­stu­ten, die Fami­lie und Besitz in den ret­ten­den Wes­ten Deutsch­lands brach­ten. Mit dem in Tra­keh­nen gezo­ge­nen Rap­pen Hans­aka­pi­tän weist Maren­gos Mut­ter Mar­ne v. Hero­des in ihrem Pedi­gree eine Inzucht auf und bringt zudem wei­te­re Ver­stär­ker­ele­men­te mit Löwen­ruf und Erha­be­ner ein. Peter Thom­sens berühm­te Mili­ta­ry­stu­te White Girl wur­de aus einer Maren­go-Toch­ter gezo­gen. Auch die­ser Hengst hat­te wäh­rend sei­nes 14jährigen Deck­ein­sat­zes nur 2 Söh­ne und 23 ein­ge­tra­ge­ne Töch­ter her­vor­ge­bracht.

Eben einer die­ser Söh­ne war Gra­cia­no. Die schwar­ze Stu­te Gold­mi­ne, Gra­cia­nos Mut­ter, war eine Toch­ter des berühm­ten Toti­las. Die­ser im unver­wech­sel­ba­ren Typ sei­nes Vaters Pytha­go­ras ste­hen­de dun­kel­brau­ne Hengst war 1938 in Tra­keh­nen aus einer Pil­ger-Toch­ter gezo­gen. In sei­nem Pedi­gree fin­den sich drei bedeu­ten­de Zucht­stu­ten des Haupt­ge­stüts: Pech­ma­rie (Mut­ter des Pytha­go­ras), Palast­hü­te­rin (Mut­ter des Pil­ger) und Ton­lei­ter (Urgroß­mutter des Toti­las). Allen gemein­sam ist der Vater, der wohl bekann­tes­te aller Haupt­be­schä­ler Tra­keh­nens, Tem­pel­hü­ter v. Per­fec­tion­ist xx. Vor dem Land­stall­meis­ter­haus stand bis Kriegs­en­de sei­ne lebens­gro­ße Sta­tue. Ein Abguss des Ori­gi­nals befin­det sich heu­te vor dem Deut­schen Pfer­de­mu­se­um in Ver­den an der Aller. Toti­las gehör­te zu den Säu­len des Auf­baus der Zucht nach dem Krieg. Sei­ne Mut­ter­li­nie brach­te auch Hengs­te wie Tem­pel­hü­ter, Tro­pen­wald (Vater des Pre­gel), Tertzki und sein Voll­bru­der Ter­mit (Vater des Abglanz) her­vor.

Schon durch sei­ne 86 ein­ge­tra­ge­nen Töch­ter nimmt er eine Aus­nah­me­stel­lung in der Tra­keh­ner­zucht ein.  Tra­gik kenn­zeich­ne­te die Schick­sa­le sei­ner 6 gek­ör­ten Söh­ne. Allein der Fuchs Polar­kreis, sei­ner­zeit in die DDR expor­tiert, konn­te die Vater­li­nie erhal­ten, wäh­rend alle übri­gen durch Unfall oder zu frü­hen Export aus­schie­den. Bemer­kens­wert in der Ahnen­ta­fel des Toti­las ist auch sein Urgroß­va­ter müt­ter­li­cher­seits Löwen­jä­ger, des­sen Sohn Löwen­ruf sich schon in der Abstam­mung Maren­gos fin­det. Bei­de Hengs­te stam­men aus der Vater­li­nie des Rap­pen Mar­keur und aus der Schar­fet­ter­schen Zucht in Kall­wisch­ken, was eine Inzucht auf Mar­keur bei Gra­cia­no ergibt.

Ein väter­li­cher Halb­bru­der Löwen­jä­gers war Löwen­tin. Als ehe­ma­li­ger Geor­gen­bur­ger Land­be­schä­ler kam er nach dem Krieg ins Land­ge­stüt Cel­le. Sein ers­ter Preis 1935 auf der DLG in Ham­burg beweist sei­ne Qua­li­tät. Er konn­te nur noch zwei Jah­re ein­ge­setzt wer­den. Von sei­nen fünf Töch­tern ist beson­ders die Mar­ba­cher Haupt­ge­stüts­stu­te Loge her­vor­zu­he­ben. Sie ist u. a. Mut­ter des Jul­mond-Soh­nes Lothar (drei­fa­che Inzucht auf Pado­rus), der als Pacht­hengst in dem Ver­bands­ge­stüt Hun­nes­rück Vater der über­ra­gen­den Corn­au wur­de (Mut­ter des ein­fluss­rei­chen Halb­blü­ters Con­sul). Mar­keur sei­ner­seits war ein etwas der­ber, im Wirt­schafts­typ ste­hen­der aber äußerst gang­star­ker Rap­pe und wur­de in Ost­preu­ßen als Ver­stär­ker ein­ge­setzt. Sein Blut gelang­te haupt­säch­lich durch die Auf­lö­sung des frü­he­ren Haupt­ge­stüts Geor­gen­burg nach Tra­keh­nen. Er wirk­te auch eini­ge Jah­re als Haupt­be­schä­ler in der Gra­dit­zer Halb­bluther­de. Mar­keur ent­stammt der Vater­li­nie des Halb­blü­ters Pado­rus v. Schön­brunn xx. Sein Uren­kel Jul­mond galt nach dem Krieg als Refor­mer der Würt­tem­ber­gi­schen Warm­blut­zucht. Wel­che Wert­schät­zung man ihm hier ent­ge­gen­brach­te, zeigt ein Gedenk­stein, der ihm in Mar­bach gesetzt wur­de. Eini­ge aus Ost­preu­ßen geret­te­te Stu­ten­fa­mi­li­en ver­dan­ken der Blut­füh­rung über Mar­keur Sub­stanz, Kno­chen­stär­ke und Gang­ver­mö­gen. Dies zeigt sich bei­spiel­haft bei der Stu­te Dan­ke­schön v. Löwen­ritt aus Stein­brü­cki­scher Zucht, die über ihre Toch­ter Schön­brunn Mut­ter des bedeu­ten­den Hengs­tes Schö­ner Abend wur­de. Geht man wei­ter zurück im fal­len­den Stamm Gra­cia­nos, so stößt man auf Hengs­te wie Alas­ka­fuchs, Edel­wild oder Son­nen­tag – haupt­säch­lich Weed­er­ner Gene­tik.

Als Fazit des Pedi­grees Gra­cia­nos kann man sagen, es ist geprägt von ver­stär­ken­den Blut­ele­men­ten in vor­wie­gend dunk­ler Far­be der ost­preu­ßi­schen Warm­blut­zucht. Im Typ war der Hengst augen­fäl­lig als Toti­las-Nach­kom­me zu erken­nen, was er auch sei­nen Kin­dern getreu­lich ver­erb­te. Im Nach­hin­ein ist es zu bedau­ern, dass der Hengst nicht stär­ker ein­ge­setzt wor­den ist. Uns schenk­te er eine der bedeu­tends­ten, typ­volls­ten Zucht­stu­ten unse­res Gestüts: die deut­lich von ihm gepräg­te schwar­ze Prä­mi­en­stu­te Ter­ra Prus­sia. Sie ist die Mut­ter des inter­na­tio­nal star­ten­den Mili­ta­ry­p­fer­des Traum­prinz v. Elka­di II, der für Frank­reich im 4‑Sterneniveau unter­wegs war.

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